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Amartya Sen: Wirtschaften für die Gesellschaft

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Amartya Sen 2007 an der Universität zu Köln anlässlich der Verleihung des Meister-Eckhart-Preises. Foto: Elke Wetzig (Elya) – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Bildausschnitt

Der indische Wirtschaftswissenschaftler Amartya Sen erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Die zentrale Frage, die ihn einen über eine lange Strecke seiner Wissenschaftlichen Laufbahn beschäftigt hat, lautet: Wie schafft man ein sozial gerechtes Umfeld für Individuen in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext? Bereits im Jahr 1998 erhielt er für seine zahlreichen Schriften zur Wohlfahrtsökonomie den Nobelpreis für Ökonomie. Heute ist er 86 Jahre alt – seine Erkenntnisse haben aber kaum an aktueller Relevanz verloren, im Gegenteil.

Sens Herangehensweise an die Bestimmung sozialer Ungleichheit wirkt für einen Wirtschaftswissenschaftler eher unorthodox: Er plädiert dafür, den Maßstab nicht auf messbare Geldflüsse zu beschränken, also beispielsweise das BIP, Verteilung von Einkommen oder Besitz, die Steuerlast. Weitere Faktoren müssten berücksichtigt werden, die nicht so leicht in Zahlen darzustellen sind: Dazu gehören beispielsweise Möglichkeiten der Teilhabe, die familiäre Situation, Zugang zu Bildungsangeboten. Diese Faktoren, so Sen, können dem Individuum Handlungsspielräume eröffnen oder verstellen. Ein Stichwort dazu, das eigentlich ständig wieder im politischen Diskurs bemüht wird: Chancengleichheit.

Der Befähigungsansatz

Sen sieht in diesem Eröffnen von Handlungsspielräumen nicht nur eine Wohltat für das Individuum. Für ihn ist soziale Gerechtigkeit kein Selbstzweck, sondern kommt langfristig der gesamten Gesellschaft zugute. Beispiel: Haben mehr Frauen, vor allem in Dritte-Welt-Ländern, Zugang zu Bildung, und Arbeitsplätzen, könnte die Geburtenrate insgesamt sinken – und damit die Belastung von Umwelt und Lebensräumen. Man sieht anhand des Beispiels: Die Effekte wären sehr langfristig – und somit politisch wohl leider unattraktiv. 


Dennoch ist für Amartya Sen eindeutig: Die Demokratie ist der Boden, auf dem soziale Gerechtigkeit wachsen kann. Voraussetzungen dafür sind Informations-, Meinungs- und Redefreiheit.

Zum Weiterlesen:

Amartya Sen: Die Idee der Gerechtigkeit. Verlag C.H. Beck (München) 2010. 493 Seiten. ISBN 978-3-406-60653-3.

Amartya Sen: Die Identitätsfalle. Warum es keinen Krieg der Kulturen gibt. Verlag C.H. Beck (München) 2007. 208 Seiten. ISBN 978-3-406-55812-2.

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