Allgemein Journalismus

Lockdown oder Shutdown? Wie Journalisten korrekte Begriffe finden müssen

Die Corona-Pandemie geht uns alle an. Umso wichtiger, dass Informationen darüber klar kommuniziert werden können. Das geht nur, wenn Sprecher und Zuhörer unter den verwendeten Begriffen das gleiche verstehen. Leider hat das neue Virus auch viele neue Fachbegriffe in unsere alltägliche Sprache und Medienwelt gebracht. Die müssen wir erstmal definieren. Dieses Problem haben viele Medien mit den medizinischen Begriffen rund um das Virus und die Krankheit gut gelöst, zum Beispiel in Form von Infokästen. Diese können in Artikeln rund um die Pandemie immer wieder die vorausgesetzte Bedeutung der Bezeichnungen Coronavirus, SARS-CoV-2 oder Covid-19 für den Leser klar definieren – so kommt es nicht zu Missverständnissen.

Lockdown, Shutdown, Kontaktsperre – welcher Begriff ist korrekt?

Aber die aktuelle Ausnahmesituation beschränkt sich nicht auf neue Begrifflichkeiten aus dem Bereich Medizin. Es werden auch politisch und wirtschaftlich in vielen Bereichen neue Fakten geschaffen – und die wollen rasch benannt werden. Das Kurzarbeitergeld kennen wir bereits als politisches Instrument, in dem Feld kann man auf Erfahrungen zurückgreifen. Aber dass Betriebe und Unternehmen massenhaft stillliegen, das ist eine neue Situation. Dafür muss man erstmal Worte finden. Einige dieser Worte waren schnell entlehnt, wie so oft aus dem Angelsächsischen:

Lockdown, Shutdown, Social Distancing – you name it. Wer des Englischen mächtig ist, bei dem wecken diese Begriffe sofort Assoziationen: „lock“, „shut“ – das klingt schon nach Einsperren und Abschließen. Ebenso beinhalten „Kontaktsperre“ und „Ausgangssperre“ als Wortbestandteil die „Sperre“. „Distancing“ klingt da schon etwas milder, nach mehr Freiwilligkeit. Das Wort „Quarantäne“ dagegen ist von jeher angsteinflößend, denn es bezeichnet schon seit dem Mittelalter die Isolation von Kranken. Das deutsche Wort ist übrigens abgeleitet vom französischen Terminus „quarantaine de jours“, was bedeutet: „vierzig Tage“. Heute erscheint uns eine zweitägige Quarantäne bis zum Eintreffen des Testergebnisses schon wie die Höchststrafe.

Welche Beschreibung auf welche Situation passt (und in welchem Kontext)

All diese Begriffe hören wir momentan fast täglich, und sie werden auch in der Berichterstattung häufig verwendet. Aber für welche Situationen sind die einzelnen Begriffe eigentlich passend?

Annette Klosa-Kückelhaus vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim hat einen Text zu der Frage verfasst, ob die Begriffe „Lockdown“, „Shutdown“ und „Exit“ in das Neologismenwörterbuch aufgenommen werden sollten. Darin zitiert sie folgende Bedeutungen aus Wörterbüchern der englischen Sprache:

Shutdown = ‚the closing of a factory, shop, or other business, either for a short time or for ever‘ [die Schließung einer Fabrik, eines Geschäftes oder anderen Unternehmens, entweder für kurze Zeit oder für immer] (Quelle: Collins Dictionary, Online)

Lockdown = ‚a state of isolation, containment, or restricted access, usually instituted as a security measure‘ [Zustand der Isolation, Eindämmung oder des eingeschränkten Zugangs, der normalerweise als Sicherheitsmaßnahme eingeführt wird]. (Quelle: Oxford Englisch Dictionary, Online)

Das Wort „Shutdown“ bezeichnet also die Corona-Maßnahmen, die die Wirtschaft betreffen oder betroffen haben. „Stilllegung“ oder „Stillstand“ wäre vielleicht eine deutsche Entsprechung.
Der „Lockdown“ hingegen bezieht sich auf die individuelle Bewegungsfreiheit, zum Beispiel, weil öffentliche Bereiche nicht zugänglich sind.

Die beiden Begriffe bezeichnen also unterschiedliche Teile des gesamten Maßnahmenkatalogs, mit dem Bundes- und Landesregierung zu Beginn der Pandemie die Ausbreitung des Virus eindämmen wollten. Einen Überbegriff für alle Maßnahmen zu finden (außer „Maßnahmen“): schwierig. Und auch „Lockdown“ passt zu den Maßnahmen in Deutschland nur bedingt, denn konkrete Ausgangsbeschränkungen gab es ja nur in räumlich begrenztem Rahmen, in Form von Quarantäne bei konkreten Ausbruchsgeschehen. Von einem Lockdown in ganz Deutschland kann man deshalb kaum sprechen – deshalb wurden die Maßnahmen häufig als „Lockdown light“ betitelt. Sowohl „Shutdown“ als auch „Lockdown“ sind in der Regel zu schwammig, um dem Leser eine klare Information zu überbringen. Da sie im aktuellen Zusammenhang erst kurze Zeit verwendet werden, muss sich eine unstrittige Definition erst noch herauskristallisieren.

Alternativ: Korrekte Begriffe für einzelne Maßnahmen

Diese Begriffe sind ebenso neuartig wie das neuartige Coronavirus. Um die Verwendung schwammiger und missverständlicher Worte zu vermeiden, kann man alternativ einzelne Maßnahmen konkret benennen:
Kontaktverbote/Kontaktbeschränkungen – haben die Bundesländer einzeln oder gemeinsam erlassen, in Form von Rechtsverordnungen bzw. bundesweit als gemeinsame Leitlinie für die Länder.
Maskenpflicht – haben die Bundesländer ebenfalls als Verordnung erlassen, allerdings mit unterschiedlichen Regeln, wo genau das Tragen der Maske vorgeschrieben ist. Die Stadt Jena hat das übrigens im Alleingang bereits einige Wochen vor den Ländern getan.
Ausgangsbeschränkungen – haben einzelne Länder für ihre Bewohner zeitweise verhängt, zum Beispiel Bayern. Von einer Ausgangssperre sollte man in dem Fall aber nicht reden, denn für zwingend nötige Wege waren von den Beschränkungen ausgenommen – ebenso wie Sport und Spaziergänge im Freien (mit angehörigen des eigenen Haushalts).

Kontaktsperre hingegen ist kein treffendes Wort, um die Einschränkungen im privaten sozialen Leben zu beschreiben. Kontaktsperre ist unter anderem ein Begriff aus dem Strafrecht; nach dem Kontaktsperregesetz kann Gefangenen jeder Kontakt zur Außenwelt, auch zu ihrem Verteidiger, untersagt werden, wenn vermutet wird, dass sie Mitglied einer terroristischen Vereinigung sind, und wenn von dieser Vereinigung aktuell Gefahr für Menschenleben ausgeht.

Übrigens müsste die Corona-Pandemie (siehe erster Satz dieses Blogeintrags) korrekt „Covid-19-Pandemie“ genannt werden. Denn nicht die Übertragung des Virus an sich ist das gefährliche an einer Pandemie, sondern die Krankheit, die das Virus auslösen kann – nämlich Covid-19. Ich entschuldige mich für diese unscharfe Wortwahl, sie diente Demonstrationszwecken.

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