„Unabhängig und überparteilich“ sind die Schlagwörter: Kritisch soll guter Journalismus sein, die Wahrheit beschreiben und natürlich unabhängig sein. Viele Journalisten haben persönlich eine politische Haltung – und das ist meist auch nötig, denn man muss sich mit den aktuellen Debatten beschäftigt haben, um kritisch hinterfragen zu können. Aber wie viel Haltung braucht Journalismus, und in welchem Ausmaß muss die Berichterstattung Gegenpositionen zulassen oder sogar aufzeigen?
Paukenschlag bei der New York Times: Meinungsredakteur James Bennet hat seine Kündigung eingereicht, nach massiver Kritik. Er hatte einen Gastbeitrag des republikanischen Senators Tom Cotton auf der Meinungsseite des Traditionsblattes veröffentlicht. Der Titel des Gastbeitrags: „Send In The Troops“. Die Folge waren massive Beschwerden der eher linksliberalen „Times“-Leser, aber vor allem auch der eigenen Redakteure, Autoren und Mitarbeiter der Zeitung. Dieser Kritikwelle hat sich James Bennet gebeugt und seinen Hut genommen.
Wieviel Gegenposition muss Journalismus aushalten?
Auch wenn die Kritik an Cottons Gastbeitrag inhaltliche Gründe hatte: Die Debatte, die sie entfacht hat, dreht sich nun nicht um Cottons Formulierungen, sondern um die Rolle von Journalisten im politischen System. Vor dem Hintergrund des schwindenden Vertrauens in Journalismus kann das problematisch werden.
Die USA sind, was das Thema Vertrauensverlust angeht, härter getroffen als wir hier in Deutschland. Das Land hat einen Präsidenten, der mehr spaltet, als je ein anderer zuvor – „more than you could ever imagine“, wie Trump es wohl selbst ausdrücken würde. Den Medien im Land bleibt kaum etwas anderes übrig, als sich auf eine Seite stellen, man kann zu vielen Themen kaum neutral berichten. Das mag Kalkül sein oder einfach Kollateralschaden – aber es spaltet auch die Presselandschaft.
Breitband-Internet, Soziale Netzwerke, günstige Technik: Dank der Digitalisierung haben inzwischen viel mehr Menschen Zugang zu einer Plattform, auf der sie ihre Meinung kund tun können, als es z.B. noch vor zehn Jahren der Fall war. So finden ultrarechte Medien ihr Publikum, genauso wie linksalternative. Die Rhetorik (unter anderem) in diesen Medien entspricht nicht journalistischen Grundsätzen, sie ist häufig besonders scharf und/oder ruft das Publikum zu bestimmten Handlungen auf. Ich habe das Gefühl, dass der Zulauf, vor allem zu rechten und rechtsradikalen Meinungsplattformen, die Presse zunehmend unter Druck setzt. Wie soll man darauf reagieren? Muss man sich dem nicht entschlossen und mit Haltung entgegenstellen, wenn Fakten und Argumente dies untermauern? Aus diesem Dilemma scheint mir die Debatte um den Meinungsredakteur James Bennet entsprungen zu sein.
Journalismus darf Ansprüche nicht schleifen
Aber: Journalismus sollte sich meiner Meinung nach nicht auf eine Konkurrenz mit radikalen Meinungsmedien und -machern einlassen. Das System Presse/Journalismus ist nicht mit der Plattform „Internet“ gleichzusetzen. Es gelten unterschiedliche Regeln. Der Journalismus darf die hohen Anforderungen, die für ihn gelten, nicht schleifen. Die Folge wäre nur mehr Spaltung, mehr Vertrauensverlust. Journalismus muss, auch wenn es platt klingt, darüber stehen.
Eine mögliche Lösung für dieses Dilemma ist eine stärkere Regulierung von Veröffentlichungen im Internet. Dieses Thema ist ein Minenfeld, für manchen Netzaktivisten ist schon das Wort „Regulierung“ ein rotes Tuch. Dafür gibt es Gründe, sogar gute. Dennoch arbeiten Soziale Netzwerke seit einiger Zeit daran, von Usern gepostete Inhalte auf Regel- oder Rechtsverstöße zu prüfen oder sogar einem Factchecking zu unterziehen.
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